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BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN

Willkommen beim Kreisverband Leipzig

Bericht GRÜNE Zukunftswerkstatt: Wohin, Auwald, willst Du gehen?

03.05.18 –

Leipzig, 15.05.2018

Unter dem bildungsbürgerlichen Titel „Quo vadis Leipziger Auwald?“ haben Rolf Engelmann, Verein zur Förderung der Umweltbildung und Umweltforschung (ENEDAS), und Andreas Sickert, Abteilung Stadtforsten, Amt für Stadtgrün und Gewässer der Stadt Leipzig, über den aktuellen Zustand und die Zukunft des Leipziger Auwaldes referiert.

Aus Erfahrungen mit den Projekten „Lebendige Luppe“ und „Leipziger Auwaldkran“, die u.a. von der Uni Leipzig, dem Helmholzzentrum für Umweltforschung (UFZ) sowie dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) gefördert werden, konnte Herr Engelmann eindrücklich schildern, in welchen Zustand sich unser Hartholzauwald befindet.

Er stellte zunächst die Entstehung des Hartholzauenwaldes dar.

Hartholzauenwälder kommen auf den höher gelegenen Standorten der Aue mit Überflutungen von einem bis maximal 60 Tagen im Jahr natürlicherweise vor. Der Hartholzauenwald stellt den Endzustand der Vegetationsentwicklung in einer natürlichen Aue mit regelmäßigen Überschwemmungen dieser Größenordnung dar.

Der Leipziger Auenwald unterlag historisch prägenden menschlichen Einflüssen. Er diente seit der Besiedlung durch den Menschen als Lieferant für Nutz- und Brennholz. Es dominierte die Mittelwaldwirtschaft, die Hoch- und Niederwald kombiniert, und durch zwei Baumschichten Ober- und Unterholz gekennzeichnet ist. Das Oberholz wird durch die Stieleiche mit langen Umtriebszeiten geprägt, das Unterholz wird jährlich auf wechselnden Flächen als Brennholz geerntet. Neben der Mittelwaldwirtschaft spielten auch Nutzungsformen wie Waldweide und Grasgewinnung eine große Rolle auf die Vegetationszusammensetzung. Bis zur Einführung der Hochwaldwirtschaft vor ca. 130 Jahren war der Baumbestand vermutlich relativ locker und parkähnlich, so dass lichtliebende Arten wie die Stieleiche stärker vertreten waren. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts änderte sich die Baumartenzusammensetzung nicht wesentlich, überalterte aber stark.

Durch den Übergang zur Hochwaldwirtschaft, bei der bis 0,75 ha große Kahlhiebe oder Femelhiebe durchgeführt werden und die Verjüngung durch Ansaat und Anpflanzung erfolgt, und durch die seit den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts fehlenden Überflutungen, aber auch durch das Ulmensterben (seit 1929) hat sich die floristische Zusammensetzung des Waldes, besonders der Baumschichten, verändert. Die ehemals im Mittelwald geförderten Arten Stieleiche und Hainbuchen treten zurück, die Gemeine Esche und die Ahornarten (v.a. Bergahorn) profitierten.

Durch Grundwasserabsenkungen und Deichbaumaßnahmen nehmen Hartholzauenwälder heute auch ehemalige Weichholzauenstandorte ein. Innerhalb der Hartholzauenwälder findet auf Grund ausbleibender Überschwemmungen eine Veränderung in Richtung trockener Ausbildungen statt. Gegenwärtig können die meisten Flächen des Waldes noch zum Stieleichen-Ulmen-Hartholz-Wald, gerechnet werden. Eine Umwandlung in Ausbildungsformen des Stieleichen-Hainbuchenwaldes zeichnet sich aber bereits heute deutlich ab (Gutte 2011).

Herr Engelmann stellte dar, dass Stieleichen im Leipziger Auenwald heute weniger als 20 % einnehmen, Ulmen weniger als 5 %, während Eschen mehr als 40 % und Ahorn fast 20 % der Auewaldflächen ausmachen.

Der Referent veranschaulichte mit aktuellen Daten seiner Freilandforschung von den Deckungsgraden in den einzelnen Baumschichten, dass eine Naturverjüngung der Stieleiche aktuell kaum noch stattfindet (z. B. Anteil der Stieleiche im Bereich von 5 bis 50 cm lediglich 0,10 % gegenüber 75 % Esche).

Für viele Jahrhunderte prägten Stieleichen das Bild des Leipziger Auwaldes. Der Mensch war dabei von Anfang an tätig beteiligt. Neben der Gestaltung der Gewässer wurde über die Holzgewinnung hinaus der Auwald zum Holz- und Eichellesen, als Waldweide für die Haus-schweine und zum Jagen von Wildtieren genutzt.

Damals waren rund 60% Stieleichen vorhanden. Heutzutage finden wir noch vereinzelt einige 200 bis 250 Jahre alte Zeugen dieser Zeit vor. Durch die genannten Einflussfaktoren im letzten Jahrhundert ist der Bestand stark gesunken. Das ist tragisch, weil alte Stieleichen zudem ein wahrer Schatz für die Artenvielfalt sind. In ihrem Totholz finden sich bis zu 900 verschiedene Arten von Holzkäfern, von denen 70% nur bei Eichen und viele weitere nur noch in Urwäldern anzutreffen sind. Zur Erhaltung dieser Artenvielfalt und dem Bestand dieser reliktischen Holzkäferarten ist ein besonderer Schutz nötig.

Dieser Schutz kann aktuell bei ausbleibenden Überschwemmungen auf Grund der Deiche nur durch naturschutzfachliches Management gewährleistet werden, bei dem die Stieleiche im Zentrum des Handelns steht. Dazu werden in Teilen des Waldes so genannte Femellöcher geschlagen, welche Platz und Licht für Neupflanzungen schaffen. Bei Neupflanzungen werden sowohl gemächlich wachsende Stieleichen als auch Wildäpfel und -kirschen gepflanzt.

Herr Sickert von der Abteilung Stadtforsten erklärte, dass die Größe des Femelloches von den Rahmenbedingungen und zu pflanzenden Baumarten abhängig ist. Entsprechend forstwirtschaftlicher Leitlinien aus der Landschaftsplanung und Literatur beträgt diese ca. 0,25 Hektar. Für den Leipziger Auwald scheinen bereits 0,1 bis 0,2 ha ausreichend zu sein. Dabei ist besonders auf den Erhalt von Altbäumen (auch Eschen) zu achten. Herr Sickert äußerte auf Nachfrage bezüglich einiger sehr großer Femelhiebe in der „Nonne“ und dem Einschlag größerer Altbäume, dass die Abteilung Stadtforst zukünftig noch stärker auf den Erhalt der Altbäume setzen wolle.

Der Zielbestand der Forstbehörde sieht für den Auenwald wieder 40 % Stieleiche und nur 20 % Esche sowie Hainbuchen, Linden und Ahorn mit Anteilen von 10 % vor.

Der jährliche Forstwirtschaftsplan legt die Einschläge auf den Waldflächen der Stadt Leipzig fest. Dieser wird seit diesem Jahr auch durch die Stadt entsprechend dem Sächsischen Waldgesetz nach Aufstellung durch die Forstverwaltung beschlossen und kann vorab entsprechend auch hinsichtlich der Übereinstimmung z.B. mit dem Managementplan des FFH-Gebietes geprüft werden.

Im Rahmen der Veranstaltung wurde insbesondere durch die Ökolöwen die Notwendigkeit von Überschwemmungen als Grundlage für den Erhalt des Auenwaldes benannt. Auch Herr Sickert formulierte deutlich, dass ein Auenwald ohne Wasser kein Auenwald sei. Herr Engelmann antwortete auf die Frage, wo Überschwemmungen sinnvoll seien: auf allen Hartholzauwaldflächen. Es gebe 1.700 ha die hypothetisch richtiger Auenwald durch Überschwemmungsereignisse werden könnten.

Schwierig gestaltet sich die Umsetzung auf Grund verschiedener Zuständigkeiten. Bereiche, in denen der Auwald vor Überschwemmungen geschützt wird, können auf Grund der Zuständigkeit der Landestalsperrenverwaltung (LTV) durch die Stadt nicht ohne Weiteres überschwemmt werden. Andererseits gibt es auch Angebote einer Deichschlitzung im Bereich des Möckernschem Winkels und der Liebesinsel durch die LTV, die in kleinen Bereichen eine Revitalisierung von Auewaldbeständen ermöglichen können.

Im weiteren Verlauf erläuterte Herr Sickert die wissenschaftlichen Ausführungen aus forstwirtschaftlicher Sicht. Der Zuständigkeitsbereich des Stadtforstes umfasst ca. 2.100 ha Auwald. Der beschriebene Rückgang der Stieleichen in diesem Gebiet ist dabei auf die Umstellung auf Hochwald in den 1870er Jahren (und auf die fehlende Auendynamik) zurückzuführen. Als der Stadtförster seinen Dienst im Jahr 1991 in der Abteilung Stadtforsten im Rahmen der Neugründung antrat, war nur noch ein Fünftel der alten Stieleichen vorhanden. Damit wurde ein wesentliches Ziel ersichtlich: Die Erhaltung der natürlichen Baumartenzusammensetzung des Auenwaldes und damit der lebensraumtypischen Artenvielfalt.

Unterstützt wird die Abteilung Stadtforsten von der Stadtverwaltung, indem dieser ohne Vorgabe von Wirtschaftlichkeitszielen, dafür jedoch mit Umweltqualitätszielen ausgestattet wurde. Der Anteil des Waldes soll von 8 auf 10 Prozent in Relation zur Stadtfläche gesteigert werden. Dementsprechend wächst die Fläche des Leipziger Waldes zunehmend. Neben der Baum- und Artenvielfalt ist auch die Strukturvielfalt ein Thema. Herr Sickert und seine Kollegen werden dabei von den Mitgliedern der AG Stadtwald unterstützt.

Auf die Frage nach einem erhöhten Nutzungsdruck und nach Flächeninanspruchnahmen in Randbereichen des Auenwaldes konstatiert Herr Sickert insgesamt einen nur geringen Druck und verwies im Gegenteil auf Wiederbegründung von Auenwald in der Burgaue. Er bestätigte aber auch, dass die Forstbehörde häufig nicht oder nicht rechtzeitig eingebunden werde. Der Ökolöwe wies auf eine mögliche Erhöhung von Lärmwirkungen und Störungen im Auenwald durch den Lückenschluss im Norden (Georg-Schwarz-Brücke) hin, der zu einer Erhöhung des Verkehrsaufkommens auf der Gustav-Esche-Straße führen werde.

Ein weiterer Informationsabend des Arbeitskreises in diesem Jahr soll sich dem für den Auenwald überlebenswichtigen Thema der natürlichen Auendynamik widmen.

Literatur:

Seiten des Leipziger Bildungs- und Forschungsportals zum Leipziger Auwald (http://www.leipziger-au-wald.de/front_content.php

)Gutte, Peter (2011): Das Querco-Ulmetum minoris Issler 1942, der Stieleichen-Ulmen-Hartholzwald, in der Elster-Luppe-Aue bei Leipzig, in Mauritiana (Altenburg) 22 (2011) S. 213 – 242 · ISSN 0233-173X.

Gläser, J. 2007. Mitteldeutsche Auenwälder an Weißer Elster und Elbe. Die historische Entwicklung des Baumar-tenbestandes von Hartholz-Auenwäldern. Schriftenreihe der Freiburger Forstlichen Forschung 70, 70-81.

Gläser, J. 2005. Mitteldeutsche Auenwälder an Weißer Elster und Elbe. Die historische Entwicklung des Baumar-tenbestandes von Hartholz-Auenwäldern. Dissertation TU Dresden.

Forstwirtschaftsplan (FWP) 2017, Amt für Stadtgrün und Gewässer, Abteilung Stadtforsten (https://www.leipzig.de/fileadmin/mediendatenbank/leipzig-de/Stadt/02.3_Dez3_Umwelt_Ord-nung_Sport/67_Amt_fuer_Stadtgruen_und_Gewaesser/Stadtwald_und_Auenwald/Verkauf_Veroeffentlichun-gen/Leipzig_Forstwirtschaftsplan_2017.pdf

)Waldfunktionen und Erhaltungsgrundsätze zu Schutz, Erhaltung und Renaturierung des Leipziger Auensystems, Amt für Stadtgrün und Gewässer, Abteilung Stadtforsten (https://www.leipzig.de/fileadmin/mediendaten-bank/leipzig-de/Stadt/02.3_Dez3_Umwelt_Ordnung_Sport/67_Amt_fuer_Stadtgruen_und_Gewaesser/Stadt-wald_und_Auenwald/Informationen_zum_Stadtwald_und_Auenwald/Schutzfunktion_des_Stadtwald.pdf)

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